Der Adler
von Adliswil

Ferdy Kuebler and his wife in Arosa

Während Ferdy Kübler zu Beginn seiner Karriere noch im Schatten des tragischen Helden Koblets stand, gewann er über die Jahrzehnte die Herzen der Schweizer, so dass er mit der Zeit zu «Ferdy National» wurde, dem bekanntesten und beliebtesten Schweizer Radrennfahrer aller Zeiten. Mit seinem starken Sinn für das Geschäftliche eckte er manchmal an, blieb aber bis ins hohe Alter erfolgreich. Dies ist die Geschichte des zweiten «K».

Wenn Hugo Koblet der Pedaleur de Charme ist, dann war sein Schweizer Meisterkollege Ferdinand «Ferdy» Kübler der Pedaleur de Force. Kübler war sechs Jahre älter als Hugo und wuchs ebenfalls in bescheidenen Verhältnissen auf, allerdings auf dem Land. Beide, Hugo und Ferdy, begannen ihre Karriere im Radfahren als Ausläufer einer Bäckerei: Ein Bäcker kaufte Ferdy ein gebrauchtes Fahrrad, mit dem er täglich 40 kg Brot in ein nahe gelegenes Dorf auszuliefern hatte. Mit dem spärlichen Geld, das Ferdy so sparte, kaufte er später ein Top-Rennrad und begann seine Karriere in den 1940er Jahren vielversprechend mit Auftritten in Schweizer und europäischen Profirennen. Im Jahr 1950 gewann Ferdy die Tour de France. Es war das erste Mal, dass ein Schweizer die Tour gewonnen hatte. 1951 tat er es Koblet gleich und gewann den Giro d’Italia, den Koblet im Jahr zuvor gewonnen hatte.

Ganz im Gegensatz zu Koblet wurde Ferdy wurde eher als raue und etwas einfache Persönlichkeit beschrieben. Er war bekannt dafür, von sich selbst in der dritten Person zu sprechen. «Ferdy fühlt sich stark. Ferdy greift morgen auf der Bergetappe an.» Ferdy hatte mehr Erfolge als sein Schweizer Kollege Koblet im weiteren europäischen Umfeld. Er gewann zweimal den berühmten belgischen Klassiker Lüttich – Bastogne – Lüttich, zweimal die Flèche Wallonne, einmal das Rennen Bordeaux – Paris sowie das WM-Strassenrennen in Varese. Er war bekannt dafür, ein Sprinter zu sein und pflegte zu sagen, dass seine grosse Nase ihn aerodynamischer machte. Seine Nase verhalf ihm auch zum Spitznamen «der Adler von Adliswil».

 

Wenn Koblet der Pedaleur de Charme ist, dann war Ferdy Kübler der Pedaleur de Force Brute.

Alex

Ferdy war bekannt für seinen sparsamen Umgang mit Geld. Da er in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, trennte er sich nur ungern von jedem Franken, den er verdiente. Seine Teamkollegen sagten, dass es um die Verteilung jedes Preisgeldes ein Gezänk gab – einige wie Göpf Weilenmann mochten es nicht, für ihn zu fahren, weil er so geizig war. Göpf sagte mir, dass Ferdy für ihn in dieser Hinsicht das pure Gegenteil von Koblet war. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere hätte Ferdy in einer schicken Zürcher Wohnung leben können, aber er entschied sich für eine halb so teure Bleibe im Vorort Adliswil.

Nachdem er grosse Rennen wie die Tour de France, den Giro d’Italiad’Italia, viele klassische Eintagesrennen, die Schweizer Meisterschaften oder die Tour de Suisse gewonnen hatte, beschloss Ferdy 1956, sich zurückzuziehen und Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Kübler verstand es, seine Popularität, die er auf der Rennstrecke erlangte, zu erhalten und in persönlichen geschäftlichen Erfolg umzumünzen. Er wurde ein bekannter PR-Sprecher für eine Versicherung und eine Lebensmittelfirma, Trident-Kaugummi und die Fahrradmarke Tebag. In späteren Jahren begeisterte er sich für den Golfsport und behielt einen aktiven Lebensstil bei. Rad fuhr er täglich bis in seine 70er Jahre. Schliesslich hörte er auf, weil ihm der Strassenverkehr zu viel wurde. Ferdy schaffte es in die Schweizer Prominenz und schon während seiner Rennsporttage erhielt den Spitznamen «Ferdy National». Ferdy ist 2016 im hohen  Alter von 97 Jahren verstorben. Ein erfülltes Leben, wenn es je eines gab.

 

Bilder
1: Mit seiner Frau, Arosa, 1950s, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Gerber, Hans / Com_X-K125-001 / CC BY-SA 4.0
2: Tour de France, 1947, Harry Sagers / Anefo, CC0, via Wikimedia Commons
3: 1952, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Comet Photo AG (Zürich) / Com_M01-0417-0001 / CC BY-SA 4.0
4: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Vogt, Jules / Com_M22-0049-0001 / CC BY-SA 4.0
5: Skilehrer, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Schollenberger, Kurt / Com_L19-0810-0001-0001 / CC BY-SA 4.0
6: Geburtstag, 1969, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Gerber, Hans / Com_L18-0355-0125 / CC BY-SA 4.0